1980. Ich war 33 Jahre alt und es ging alles drunter und drüber. Da schrieb Miriam Cahn bei Nacht und Nebel mit schwarzgetränktem Pinsel „Mein Frausein ist mein öffentlicher Teil“ unter eine der Autobahn-Brücken von Basel. Das war wie ein Blitzlicht. Was geht da eigentlich genau ab? – Als alleinerziehende Mutter dreier Kinder war vieles plötzlich existentiell; als freie Kunstkritikerin musste ich hartnäckig Geld einfordern für geleistete Arbeit; für mich eine hohe Schwelle. Doch mit Miriam Cahn im Kopf ging es. Und fortan war klar: Künstlerinnen haben beim Schreiben (auch bei Ansprachen, Vorträgen etc.) Priorität und den Kuratoren und Direktoren würde ich auf die Finger schauen.

Besonders bei jurierten Ausstellungen, aber auch bei Jahresprogrammen und mehr, stand in jedem meiner Presse-Texte, wie viele Künstler wie vielen Künstlerinnen gegenüberstehen. Meret Oppenheims Slogan „es gibt keine Männerkunst und keine Frauenkunst, es gibt nur gute Kunst und schlechte Kunst“ vergass ich darob nicht. Wütend wurde ich nur, wenn mal wieder eine Künstlerin meinte, sie stelle nicht mit anderen Frauen aus, da „Gebärmutterkunst“ sie nicht interessiere. Ich versuchte zu differenzieren, das „gut“ neu zu schreiben, weibliche Praktiken, Denkweisen – auch sexuelles Empfinden - zu greifen, zu vernetzen und zu formulieren. Und dies nicht nur von den grossen Museen an aufwärts, sondern ebenso im Kleinen, im hier und jetzt und überall.

Wie viele meine kleinen Bemühungen überhaupt bemerkten, weiss ich nicht. Ist auch egal; für mich waren sie wichtig. Und immerhin war ich eine Vielschreiberin.

Mit meinem notorischen Hang zu Statistiken zählte ich im Herbst 1995 anhand des Schweizer Kunstbulletins mal wieder die Ausstellungen in Schweizer Museen aus und fand erstmals gleich viele Kunstschaffende weiblichen und männlichen Geschlechts. Hurra! Mein Job war getan, scheinbar. Der Aufwärtstrend hielt an, aber da gab (und gibt!) es halt immer noch Defizite – bei den Ankäufen für private und öffentliche Sammlungen zum Beispiel. Doch die erste Generation der Kämpferinnen – ich war ja nicht die einzige! - war müde und wurde zum Teil auch ausgepfiffen. Backlash. Bis sich vor kurzem wie Phönix aus der Asche eine junge Generation - in den USA wie bei uns – zu Wort meldete, gar das Kunsthaus Zürich dazu brachte, die Guerilla Girls in die Schweiz einzuladen. Ich werde das alles schmunzelnd beobachten, schreiben darüber mag ich nicht mehr.

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