Zu den Hauptthemen der Neuen Frauenbewegung gehörten nicht nur die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben, sondern auch innerhalb der Familie. Beziehungen und Mutterschaft waren aus dieser Sicht keine Privatangelegenheiten, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. "Das Private ist politisch" war dementsprechend ein wichtiges Motto der Neuen Frauenbewegung. Aktivistinnen strebten danach, die Trennung zwischen Privatem und Öffentlichkeit aufzuheben, um die Stellung der Frau nicht nur auf politischer Ebene, sondern in der ganzen Gesellschaft zu verändern.

Die Zeichnung rechts zeigt eine "bonne femme", die den Beschluss gefasst hat, ihren Partner künftig in die Haus- und Erziehungsarbeit einzubeziehen ("tout va être partagé"). Sie schöpft Mut, als ihr einfällt, dass sie das Stimm- und Wahlrecht hat – ein Recht, das die Schweizerinnen am 7. Februar 1971 nach langem Ringen erhielten. Weiterhelfen kann ihr dieses politische Recht allerdings nicht: Als sie zur Tür hereinkommt, findet sie ein fürchterliches Durcheinander vor, in dem die Kinder auf dem Tisch tanzen, während der für die Beaufsichtigung zuständige Partner auf dem Sofa liegt und liest. Die Frau sagt: «Et pourtant j’ai le droit de vote!» Die Zeichnung zeigt mit welchen Themen sich Frauen der 1970er Jahre konfrontiert sahen: "Das Frauenwahlrecht ist nicht genug!".

Front des Bonnes Femmes, Flugblatt, o. O. [Genf], o. D. [1971], Fundort: Archives MLF, Carouge: MLF-GE/S4/SS41.

Die Arbeitsteilung innerhalb der Familie war ein zentrales Thema der Neuen Frauenbewegung. Fragen der Doppelbelastung der Frau innerhalb einer traditionellen Ehe wurden mit Experimenten mit neuen Lebens-, Wohn- und Erziehungsformen beantwortet. Überall wurden Kommunen gegründet, die neue Formen des Zusammenlebens erfanden und ausprobierten.

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Rina Nissim

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Marianne Wullschleger

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Rina Nissim

Lange Zeit hatte die Ehefrau unter der Vormundschaft des Ehemannes gestanden; sie hatte keine Verfügungsmacht über ihr eingebrachtes Vermögen und ihre Einkünfte, und sie war in ihrer Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt. Auch in Fragen der Haushaltsführung und der Kindererziehung entschied in Streitfällen der Mann allein. Arbeitsverträge seiner Frau konnte er auch gegen ihren Willen kündigen. Erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts führten das gewandelte Selbstverständnis der Frauen und die stark veränderten Formen des Zusammenlebens dazu, dass im Ehe- und Familienrecht das hierarchische Führungsmodell durch ein neues, partnerschaftliches Leitbild von Ehe und Familie abgelöst wurde. Als erstes wurde in den 1970er Jahren das Adoptions- und das Kindsrecht revidiert und dabei auch die Stellung der Mutter verbessert. 1988 trat das revidierte Ehe- und Ehegüterrecht in Kraft, das auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Frau und Mann beruht. Das Prinzip der partnerschaftlichen Ehe floss auch in die Revision des Erbrechts ein.

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Annemarie Pfister

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Stella Jegher

Die politische Dimension von Sexualität

Die politische Dimension von Sexualität wurde schon sehr früh auch anhand von weiblicher Homosexualität diskutiert. Lesbischsein wurde unter feministischen Vorzeichen als Befreiung aus heterosexuellen und patriarchal geprägten Strukturen gedeutet. Dieses politische Verständnis weiblicher Homosexualität führte innerhalb der Frauenbewegung nicht selten zu Konflikten zwischen homo- und heterosexuell lebenden Frauen.
Am 8. März 1978 bildeten Lesben in Fribourg zum ersten Mal einen eigenen Block im Demonstrationszug und brachten so ein zentrales Anliegen zum Ausdruck: der Unsichtbarkeit von Lesben entgegenzuwirken, da Homosexualität in erster Linie als männliche Homosexualität wahrgenommen wurde. Die Historikerin Elisabeth Joris erzählt im Video rechts davon.

Flugblatt zum Lesbenfilmzuyklus der Frauen-Kinogruppe der Reitschule Bern, 11.1.–7.2.1989, Fundort: Privatarchiv Yvonne Hostettler.