Lilly Keller, geboren 1929 in Muri bei Bern, wuchs zusammen mit einem Bruder und zwei Schwestern in einem Haus mit weitem Garten auf. Nach dem Besuch der Schulen vor Ort trat sie 1949 der Grafik-Fachklasse der Zürcher Hochschule der Künste (ehemals Kunstgewerbeschule) in Zürich bei. 1952 brach Keller diese Ausbildung ab und wurde freie Künstlerin. Neben Collagen, Lithographien und Ölbildern erregte Keller bald mit grossen, minutiös selbst gewobenen Tapisserien in der abstrakten Welt Aufsehen. 1953, 1955 und 1956 erhielt sie das Eidgenössische Stipendium für angewandte Kunst.
Ab 1956 wieder in Bern, gehörte sie zum inneren Zirkel um Daniel Spoerri, Meret Oppenheim, Friedrich Kuhn, Peter von Wattenwyl, Jean Tinguely und Leonardo Bezzola. 1961 gewann sie den Preis für Lithographie der Louise Aeschlimann-Stiftung und nahm an der Ausstellung Surrealismus in Thun teil.
Entscheidend wurde ihre Begegnung mit dem Amerikaner Sam Francis; er lehrte sie raumgreifend zu agieren. Nach Aufenthalten in Paris, Darmstadt, New York und London zog sie mit dem Künstler Toni Grieb nach Montet-Cudrefin (VD). In der französischsprachigen Schweiz liessen sie gemeinsam auf einer 6000 Quadratmeter grossen Brache um ihr Haus einen Park mit seltensten Bambusarten und Nadelbäumen aus der ganzen Welt entstehen.
Esel, Pfauen, Abessinerkatzen, Enten, rares Hühnervolk und seit ihrer Kindheit Hunde lebten jahrelang um Keller und Grieb. Längst wurde für Keller – Jahrzehnte vor jeder "grünen Welle" – die Natur in ihrer unmittelbaren Äusserung ihre zentrale Inspiration. Damit entwickelte Keller einen von ihrem Künstlerkreis in Bern gänzlich unabhängigen und visionären Weg. Ende der 1970er Jahre wurde ihr Schaffen zunehmend plastisch. Es folgten diverse Aufträge für Kunst am Bau und ab 1984 begann Keller, mit geblasenem Glas zu arbeiten. Neben ihrer immensen Schaffenskraft, die immer wieder Aufnahme in Privatsammlungen und Messen fand, schaffte Keller ab 1957 eine von Anbeginn als unverkäuflich deklarierte Werklinie in Form selbst gestalteter Bücher. So sind weit über 70 Bände entstanden, von denen viele Einzelthemen gewidmet sind. (Zentral: Die Befreiung der Frau aus männlichen Unterdrückungsmechanismen und der Kampf für die Gerechtigkeit von Künstlerinnen mit ihren männlichen Kollegen im nationalen und internationalen Kunstbetrieb).
In den Jahren 1976-1983 unternahm Keller mehrmonatige Reisen im Land Rover mit dem Galeristen Rene Steiner quer durch den Iran, Afghanistan bis Pakistan und Indien, durch Ägypten und schliesslich von Algerien durch die Sahara bis Senegal. Nicht die Entbehrung reizte Keller, vielmehr suchte sie das fremde, oft jahrtausende alte Kulturerbe jener Völker und Landschaften.
Keller, die seit jenen Jahren immer wieder in Museen und Galerien zu sehen war, arbeitete täglich in ihrem Atelier. Kontinuierlich war ihr Arbeiten im Raum und seit ca. 2010 ihr Grenzen sprengendes Schaffen mit in ihrem Park wachsenden Riesenblattformen. Parallel entstehen auch leuchtende Schattenfigurationen mit LED und grossformatigen, fast monochromen Bildern, denen Keller mittels Alltagsapplikationen – etwa Deckel von Konservendosen – Geheimnisse schenkte, die Betrachtende rätselhaft umfangen.
Dieter A.Stoll (geschrieben 2015, gestützt auf einen Text von A.Zwez, 1998)