Lena Rérat, 1946, eine Tochter, zwei Enkelinnen, Single
PTT-Telefonistin ist mein Erstberuf. Dutzende von jungen Frauen stöpselten um die Welt. Eine nach der anderen heiratete, meist mit der nächsten Generation im Bauch.
So auch ich. Ich gab meine Ambition als Kajakspitzenanwärterin auf und wurde Mutter und Hausfrau. Die Ehe fand ein Ende, die Arbeitswelt hatte mich wieder. Als die Gemeinde den Sandkasten im Altersheimpark zubetonierte, begann meine politische Laufbahn. Ich trat in die Partei des schuldigen Gemeinderates ein und wurde Schulpflegerin und Parteipräsidentin. Ich verliebte mich in eine Frau und war eine öffentliche Person. Also eine Liebe under cover.
Um mich zu befreien bin ich mit meiner Tochter zurück nach Basel gezogen. Traf dort in einer Weiterbildung eine Frau, die im Verein Frauenhaus war und mich fragte, ob ich interessiert sei, bei der Realisierung des ersten Frauenhauses dabei zu sein. Das war für mich die Offenbarung. Endlich habe ich feministische Kämpferinnen gefunden, mit denen ich mich identifizieren konnte. Wir als Verein kämpften gegen die Subventionsgeber für die Gleichstellung aller Teamfrauen, das hiess „Alle machen Alles und gleicher Lohn für alle“ unbesehen ihres Alters oder ihrer Ausbildung. Betroffenheit war die Qualifikation. Wir erreichten unser Ziel mit Erfolg. Die Frauen, die Zuflucht suchten, kehrten jedoch oft zu ihren Misshandlern zurück.
Die Abhängigkeit, der gebrochene Selbstwert dieser Opfer hat mich sehr berührt. Deshalb zündete der Funke augenblicklich, als ich in Umbrien die Casa Balena kennen lernte. Eine internationale Frauenkooperative, die mit viel Lebenslust ihr Haus renovierte und Bildung für Frauen in jeder Form anbot.
Von da an suchte und fand ich Frauen, die die Vision, ein Frauenbildungs- und Ferienzentrum in der Schweiz zu gründen, mit mir teilten. Die Achtzigerjahre waren für dieses Projekt ideal. Die Frauen suchten Frauen, wollten voneinander lernen, sich austauschen, bauen, gestalten, streiten, ermächtigen, lieben, festen und feiern, autonom im eigenen Haus auf eigenem Grund.
Mit der Unterstützung von all den Gönnerinnen, Handwerkerinnen, Kopfwerkerinnen, Dozentinnen war es möglich eine grosse Vision zu realisieren. Sieben Jahre lebten und arbeiteten wir daran. Bis zur Erschöpfung aber ohne einen Wimpernschlag des Bedauerns.
Neben der Villa Kassandra machte ich das Supervisionsdiplom und arbeite nun seit 25 Jahren als Beraterin. Frauenpolitisch im Standby-Modus. Innerlich noch immer so aufgeregt wie in den Achtzigern.